13.09.18

"Du bist ein Ton in Gottes Melodie"

Schorndorfer Nachrichten.Das Motto „Bibel-Bild-Bewegung“ stand über dem Gottesdienst in der Stadtkirche, der zugleich die Eröffnung einer kleinen Ausstellung mit Gemälden behinderter Menschen war, die in zwei Einrichtungen der Diakonie Stetten leben. Noch diese Woche sind die Werke zu besichtigen.

Kraftvolle Bilder von Menschen mit Behinderung / Berührende Ausstellung der Diakonie Stetten im Chor der Stadtkirche © Foto: Ralph Steinemann

Zu sehen ist da eigentlich nicht viel – auf den ersten Blick. Inmitten des Bildes von Robert Weißhar ist eine strahlend gelbe Fläche, lebendig leuchtend. Gefasst, wie von einem sicheren Gehäuse, ist das Gelb von einem dunklen Rahmen. „Kirche und Kreuz“ heißt das Stück. Und kann man es eindringlicher zeigen? Das Leid, das Kreuz, es steht im Zentrum des christlichen Glaubens – aber nicht dunkel, sondern glühend hell und verheißend, offen aber geschützt von der Kirche, der Gemeinde.

Ein Loch ins Dach der Kirche, damit das Kreuz wieder in die Mitte rückt

Genau davon handelt auch die biblische Geschichte von der Heilung eines Gelähmten durch Jesus in Kapernaum (Markus 2, 1-12), die im Gottesdienst zu einigen eindrücklich simplen, projizierten Bildern, auch verlesen wurde. Ein provozierendes Lehrstück der Inklusion! Jesus predigt in einem Haus. Es ist gerammelt voll. Kein Reinkommen für vier Männer, die ihren gelähmten Freund zu Jesus tragen wollen, damit er ihn heile. Also steigen sie entschlossen aufs Dach des Versammlungsortes, der durch Jesu Anwesenheit zugleich zur Kirche geworden ist. Sie schlagen beherzt die Decke durch und lassen ihren Nächsten in seinem Bett-Tuch hinunter zu Jesus. Und der Leidende, der Behinderte, er wird von Jesus angesehen, an Leib und Seele geheilt.

Die Pforten der Kirchen sind heutzutage nicht mehr durch Überfüllung verstopft. Und dennoch muss man manchmal vielleicht ein Loch in ihr Gehäuse schlagen, damit das Leid, das Kreuz wieder in ihre Mitte gelangt. Die evangelische Kirchengemeinde hat es mit der Ausstellung dieses Behinderten-Projektes getan. Das Kreuz, wie im Bild von Robert Weißhar, als Glutkern des Glaubens in ihre Mitte geholt. „Du bist ein Ton in Gottes Melodie“, sang die Gemeinde gemeinsam mit den behinderten Künstlern, die aus den beiden Wohnprojekten der Diakonie in Schorndorf und im Teilort Weiler kommen. Dort die große Melodie, hier der einzelne Ton, der ungestalt sein kann, und doch in höherer Harmonie zum Klingen kommt.

Ausdrucksstark: „Der verlorene Sohn von Renate Siegle

So etwa die drollig erkennbaren Umrisse, die Walter Genkinger auf seinem Bild mit „Osterhase und Christbaum“ benannt hat. Ein Blatt in warmen Tönen. Ein Versprechen. „Mama und ich“ nennt Hans-Martin May ein Bild, auf dem zwei fast durchsichtige, gelb gestrichelte Figuren in einem festen Farbrahmen gehalten werden. Ausdrucksstark auch „Der verlorene Sohn“ von Renate Siegle. Eine große und eine schmale Gestalt mit jeweils flammend roten Haaren oder Mütze. Graue Gesichter. Im Vaterantlitz ein tiefer, offener, getroffener Augen-Blick. Darüber eine blaue Wolke. Man steht davor - und wird zutiefst angesprochen.

Auf den Weg gebracht wurde dieses Kunstprojekt von Pfarrer Steffen Kläger-Lißmann und Künstlerin Kathrin Feser, die besonders intensiv in der Werkstatt der Versöhnungskirche über mehrere Monate mit den Behinderten gearbeitet hat. „Wir hörten eine biblische Geschichte. Haben darüber gesprochen. Dann wurde gemalt. Manche langsam, manche schnell.“ So Kathrin Feser über den gemeinsamen Arbeitsprozess. „Danach sprachen wir darüber. Und dann bekommt jedes Bild einen Namen.“ Einen Namen – in Gottes Melodie.

© Schorndorfer Nachrichten, Foto: Ralph Steinemann